Limburg/Lahn (Hessen)

 Datei:Limburg in LM.svg Limburg an der Lahn mit derzeit ca. 34.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des hessischen Landkreises Limburg-Weilburg - zwischen Koblenz (im W) und Wetzlar (im O) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Limburg-Weilburg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Jüdische Familien - aus Frankreich kommend - sollen sich in Limburg vermutlich gegen Ende des 12.Jahrhunderts angesiedelt haben; erstmals werden Juden urkundlich aber erst 1278 erwähnt. Nach den Verfolgungen der Pestjahre lebten gegen Ende des 14.Jahrhunderts erneut Juden in Limburg, die zumeist unter der Herrschaft des Kurfürsten von Trier standen. Die wenigen, recht vermögenden jüdischen Familien - sie bestritten ihren Lebensunterhalt zumeist vom Geldhandel - wohnten ghettoartig „hinter dem Schoneck“ zwischen Barfüßer- und Oberer Fleischgasse. Bereits damals gab es in Limburg eine Synagoge - vermutlich nahe dem Kloster Bethlehem; ebenfalls sollen eine Mikwe und ein Tanzhaus existiert haben; später fanden Gottesdienste im Keller eines Hauses am Fischmarkt statt. Im Zusammenhang mit der Vertreibung der Juden aus dem gesamten Trierer Erzstift durch den Erzbischof Otto von Ziegenhain erfolgte 1419 auch die Ausweisung der jüdischen Familien aus Limburg. Erst 1511 soll erneut eine Familie mit einem auf zehn Jahre befristeten Schutzbrief in Limburg Aufnahme gefunden haben.

'Lümpurg' an der Lahn – Stich M. Merian, um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Spätestens waren seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges vereinzelt Juden in der Stadt wohnhaft, aus der sich Jahrzehnte später eine dauerhafte kleine jüdische Gemeinschaft herausbildete. 1725 wurde für Limburg eine „Judenordnung“ erlassen. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts gründete sich in Limburg eine israelitische Gemeinde, deren Angehörigenzahl rasch anwuchs.

Im Jahre 1867 erwarb die jüdische Gemeinde eine ehemalige Kapelle „In der Erbach“ und richtete hier ihren Betraum ein. Da dieser aber bald wegen der wachsenden Zahl der Gemeindemitglieder zu klein geworden war, erbaute man zu Beginn des 20.Jahrhunderts eine neue, im romanisch-maurischen Mischstil gestaltete Synagoge in der Unteren Schiede, die 1903 eingeweiht wurde; sie bot mehr als 300 Personen Platz. Über dem Eingang der Synagoge war als Portalinschrift aus Psalm 118 zu lesen: „Dies ist das Tor des Herrn. Gerechte ziehen durch es hinein“.

Synagogue Limburg- 1910.jpg   Synagoge, Aufn. um 1910 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)  -  Holzschnitt  -  und Innenansicht (um 1910)

                Aus einem Bericht des „Limburger Anzeiger“ vom 5.Sept. 1903 über die Einweihung der neuen Synagoge:

Die Einweihung der neuen Synagoge, auf der unteren Schiede gegenüber dem Landgericht, vollzog sich gestern nachmittag in feierlichster Weise. Anfänglich des Tages von der Wetterungunst nicht wenig bedroht, wandelte sich diese ... gegen Mittag in herrlichstes Festwetter um, so daß einem vollen Entfalten des angekündigten Festzuges nichts mehr im Wege stand. Als der um 3 Uhr nachmittags begonnene letzte Gottesdienst in der alten Synagoge ... beendet war, ordnete man die Erschienenen zu einem Festzug, den eine Militärkapelle in Zivil eröffnete; dieser reihte sich an die hiesige israelitische Schuljugend, ... sodann der Erbauer der Synagoge Herr Architekt Spahr mit den Bauunternehmern und Handwerksmeistern, ... dann erst traten im Zuge die geistlichen Würdenträger auf ...

                          (Nun folgt eine Aufzählung der weiteren Festzugteilnehmer)

... Unterdessen hatte Alt-Limburg seinen Ruf als Feststadt durch ein fast lückenloses Beflaggen der Häuser bewährt und mußte, dem zu entsprechen, ... der Weg durch die Mitte der Stadt genommen werden, wo eine vielhundertköpfige Menschenmenge den in langen Zeitläufen nicht wieder vorkommenden Zug erwartete ...

                       (Nun folgt die Schilderung der gängigen Rituale in der Synagoge)

... Mit dem Gebet für den Landesherrn, unter dessen glorreicher Regierung dieses schöne Gotteshaus erbaut wurde, und dem deutschen Gesang des Synagogenchors “Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre”, Hymne von Beethoven, schloß die erhebende Feier.

                 Die jüdische Gemeinde gab am 7.September 1903 im „Limburger Anzeiger” folgende Dankanzeige auf:

Die Anteilnahme unserer verehrlichen Mitbürger bei der Einweihungsfeier unserer Synagoge, die sich insbesondere in dem reichen Flaggenschmuck kundgab, durch den alle Straßen unserer Stadt in ein festliches Gewand sich gehüllt hatten, war eine so allgemeine und dabei erfreuliche, daß wir auf diesem Wege allen beteiligten Kreisen unsern herzlichsten Dank aussprechen.

Besonderen Dank den verehrl. Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr für die musterhafte Aufrechterhaltung der Ordnung sowohl während des Festzuges als auch bei der neuen Synagoge.

Namens der israel. Kultusgemeinde

Vorstand und Festausschuß.

Limburg, den 7. September 1903    

 

In einem kleinen Gebäude neben der Synagoge war seit 1903 eine Mikwe untergebracht; sie war von einer der ältesten jüdischen Familien Limburgs finanziert worden.

Die Gemeinde beschäftigte seit der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts einen Lehrer, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war.

 

Anzeigen aus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 4.April 1859 und "Der Israelit" vom 14.Jan. 1915 

Ihre Verstorbenen beerdigten die Juden Limburgs bis 1820 auf dem vermutlich bereits im Spätmittelalter angelegten Begräbnisplatz an der „Judenschiede“ außerhalb der ehemaligen Stadtmauer. Der Friedhof am Schafsberg wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt; der ältere Teil war bis um 1930 weitestgehend belegt; auf dem angrenzenden Areal fanden seit 1932 Beisetzungen statt. Zur Limburger Kultusgemeinde gehörten auch die Juden aus Staffel, Dehrn und Elz.

Die Gemeinde Limburg gehörte nach 1843 zum Rabbinat Diez, später zum Rabbinatsbezirk (Bad) Ems.

Juden in Limburg:

         --- 1419 ...........................   5 jüdische Familien,

--- 1752 ...........................   6   “         “    ,

    --- 1800 ...........................   8   “         “    ,

    --- 1842 ...........................  60 Juden,

    --- 1861 ........................... 106   “  (ca. 2% d. Bevölk.) ,

    --- 1895 ........................... 206   “  ,

    --- 1905 ........................... 257   “  (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1910 ........................... 281   “  (in ca. 80 Familien),

    --- 1925 ........................... 270   “  ,

    --- 1932 ........................... 296   “  ,

    --- 1933 ........................... 273   “  (ca. 2% d. Bevölk.),

    --- 1937 ........................... 154   “  ,

    --- 1938 (Juli) ....................  88   “  ,      * im Kreis Limburg 270 Juden

    --- 1939 (Sept.) ...................   8   “  ,      * im Kreis Limburg 88 Juden

    --- 1940 ...........................  ein  “ (),

    --- 1942 (Juni) ...................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 492 f.

und                 Jakob Höhler, Geschichte der Stadt Limburg an der Lahn, Limburg 1935

Alte Ansichtskarte: AK Limburg /Lahn, Händlerstände am Kornmarkt u. in der Bahnhofstrasse Kornmarkt in Limburg (Abb. aus: ansichtskartenversand.com)

 

Die um 1800 sich nur aus wenigen Familien zusammensetzende Judenschaft Limburgs stieß bei der hiesigen Stadtbevölkerung - vor allem bei den christlichen Kaufleuten und Handwerkern - auf Ablehnung, da diese jüdische Konkurrenz im Woll-, Wein- und Lederhandel befürchtete; am schärfsten bekämpften die Krämer und Metzger die jüdische Händlerschaft. Ab Mitte des 19.Jahrhunderts lebten die jüdischen Einwohner vorwiegend von Handelsgeschäften; neben großen Konfektionsgeschäften gab es Leder- und Manufakturwarenhandlungen, eine Häute- und Fellhandlung, eine Seifensiederei und mehrere Metzgereien.

Lehrstellenangebote jüdischer Geschäfte (um 1900/1910):

    

Die Kreis- und Bischofsstadt Limburg hatte sich relativ lange dem Nationalsozialismus gegenüber verschlossen gezeigt. Ende März 1933 wurden drei prominente Limburger Juden verhaftet; unmittelbar nach ihrer Haftentlassung emigrierten sie. Nach dem Boykott jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Praxen am 1.4.1933 begann eine ab Sommer 1933 verstärkt einsetzende antisemitische Propaganda-Kampagne zu wirken: Jüdische Geschäftsinhaber durften nicht mehr in Zeitungen inserieren, Vereine wurden „entjudet“. Besonders im Lokalblatt „Weilburger Tageblatt” erschienen nun regelmäßig Hetzartikel, die die jüdischen Bewohner einschüchterten und diese zum Verlassen der Stadt nötigten; ab 1935 wanderten vermehrt Juden ab.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Limburger Synagoge von SS-Angehörigen in Brand gesteckt, die Inneneinrichtung zerstört und Kultgeräte entwendet. Auch Geschäftsräume von sechs Firmen jüdischer Besitzer sowie diverse Wohnungen wurden demoliert; bei diesen Ausschreitungen beteiligten sich auch aktiv Limburger Bürger; dies geht aus Gerichtsunterlagen eines Prozesses von 1947 hervor:

„ ... Auf Weisung von höherer Stelle, von der Polizei unbehindert, demonstrierten allenthalben in der Stadt Menschenmengen gegen jüdische Geschäfte und Wohnungen und begingen dort Gewalttaten. ... Dorthin (Anm: zur Synagoge) begab sich die aus Erwachsenen, aber auch Halbwüchsigen, welche ihrerseits teilweise von Erwachsenen geführt und angestachelt wurden, bestehende Menge und plünderte dieses Gotteshaus aus. Zu Kultus- und zu profanem Gebrauch bestimmte Gegenstände wurden wahl- und planlos herausgezerrt, beschädigt, entwendet und verschleppt. ...”

Im Jahre 1939 wurde das ausgebrannte Synagogengebäude abgerissen.

                                       ausgebrannte Synagoge vor dem Abriss (Stadtarchiv)

Die meisten jüdischen Einwohner Limburgs verließen ihre Heimatstadt noch vor Kriegsbeginn; Zielländer der Emigranten waren vor allem die USA, Großbritannien, die Niederlande und Palästina; diejenigen, die in Deutschland verblieben, verzogen meist nach Frankfurt/Main. Die wenigen noch in Limburg verbliebenen Juden wurden 1942 von hier deportiert; der Landrat von Limburg teilte in einem Schreiben vom 10.7.1942 dem Regierungspräsidenten in Wiesbaden mit: „Die Kreise Limburg und Unterlahn sind seit dem 10.Mai des Jahres judenfrei.” In der Stadt blieben zunächst nur diejenigen zurück, die „in Mischehe“ lebten bzw. als „Judenmischlinge“ galten. Sie wurden teilweise zur Zwangsarbeit herangezogen und noch 1944/1945 verschleppt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich mindestens 61 gebürtige bzw. längere Zeit in der Stadt wohnhaft gewesene jüdische Bürger Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/limburg_synagoge.htm).     *Anm.: Nach jüngsten Recherchen sollen es etwa 100 Personen gewesen sein, die der "Endlösung" zum Opfer gefallen sind.

 

Nach Kriegsende kehrten nur drei Limburger Juden in ihre Heimatstadt zurück.

Eine recht unauffällig angebrachte Gedenktafel an der Unteren Schiede/Ecke Dr.-Wolff-Straße erinnert seit 1981 an den Standort der einstigen Synagoge der Stadt.

 Limburg, Schiede Gedenktafel Synagoge.JPGGedenktafel (Aufn. Oliver Abels, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

   Bronzemodell (Aufn. Oliver Abels, 2014, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) File:Limburg - Denkmal Synagoge (2 08.2015).jpg 

Um das Gedenken präsenter zu machen, wurde 2015 die kaum in den Blick fallende Gedenktafel durch ein Bronzemodell des ehemaligen Synagogengebäudes ersetzt (siehe Abb.).

Jüngst wurde im Kellergewölbe eines Hauses in der Limburger Altstadt (Rosengasse/Fischmarkt) eine aus der frühen Neuzeit stammende Mikwe entdeckt.


Jüdischer Friedhof, alter Teil und ein Doppelgrab auf dem neuen Teil (beide Aufn. aus: cjz-limburg.de)

Am Eingang zum jüdischen Friedhof in der Beethovenstraße weist eine Gedenktafel auf die ehemaligen jüdischen Einwohner Limburgs hin; zum 50.Jahrestag der Pogromnacht von 1938 wurde auf dem Friedhof ein Gedenkstein mit den Namen der jüdischen NS-Opfern von Limburg errichtet.

Seit 2013 werden auch in den Straßen Limburgs sog. „Stolpersteine“ verlegt; mit Hilfe privater Spenden fanden in der Folgezeit weitere in den Gehwegen der Stadt ihren Platz; derzeit beläuft sich ihre Zahl in der Kernstadt und den Ortsteilen auf 115 Steine (Stand 2022), die aber nicht nur jüdischen Opfern gewidmet sind.

   „Stolpersteine“, Plötze 16 (Aufn. aus: augias.net) 

Stolperstein Albert Wolf, 1, Werner-Senger-Straße 19, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpgStolperstein Grete Wolf, 1, Werner-Senger-Straße 19, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpgStolperstein Julius Franz Wolf, 1, Werner-Senger-Straße 19, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpgStolperstein Simon Walter Wolf, 1, Werner-Senger-Straße 19, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpg

                               Stolperstein Adolf Leopold, 1, Schiede 28, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpg Stolperstein Max Leopold, 1, Schiede 28, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpg Stolperstein Rosa Leopold, 1, Schiede 28, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpg Stolperstein Margot Regina Leopold, 1, Schiede 28, Limburg an der Lahn, Landkreis Limburg-Weilburg.jpg

verlegt in der Werner-Senger-Straße und in der Schiede (Aufn.G., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Raphael Felix Johanna Hedwig Julius Löb tripping stones ('Stolpersteine') in LImburg-Staffel.jpg In den Ortsteilen Lindenholzhausen und Staffel sind auch einzelne "Stolpersteine" verlegt worden, so z.B. für Angehörige der Familie Löb am Schulplatz in Staffel (Aufn. W., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).

 

Jüdisches Leben in Stadt und Landkreis Limburg gab es wieder seit Mitte der 1990er Jahre. 2006 setzte sich die neue jüdische Gemeinde Limburgs - gegründet 1998 - aus fast 200 Angehörigen zusammen – ausschließlich russische Immigranten. Ein von der Freien Evang. Kirche erworbenes Gebäude in der Birkenallee ist inzwischen zu einem jüdischen Gemeindezentrum mit Synagoge umgebaut worden. Offiziell eingeweiht wurde die Synagoge im Februar 2009 in Anwesenheit des Vorsitzenden des Landesverbandes jüdischer Gemeinden in Hessen, Moritz Neumann, und des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch; damit ist Limburg der zehnte Synagogenstandort im Lande Hessen.

            neues Gemeindezentrum in Limburg (Aufn. J. Hahn, 2009)

Die Leo-Sternberg-Schule in Limburg erinnert an den 1876 geborenen Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, der eine Reihe kulturhistorischer Werke verfasste und mit seinen Erzählungen und Gedichten um 1910/30 zu den beliebtesten Schriftstellern am Mittelrhein zählte. 1906 war Leo Sternberg aus der jüdischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten (1933 der katholischen Kirche beigetreten). Als „Nicht-Arier“ wurde er 1934 als Amtsrichter entlassen. Er verstarb 1937 auf einer Reise nach Jugoslawien.

 

 

 

Im nur wenige Kilometer westlich von Limburg gelegenen Elz waren im 19./beginnenden 20.Jahrhundert nur sehr wenige jüdische Familien wohnhaft; sie gehörten der jüdischen Gemeinde Hadamar bzw. Limburg an. Anfang der 1930er Jahren lebten noch zwei jüdische Familien (Fam. Albert und Rosenthal) im Ort, denen noch die Emigration (Südafrika/Rhodesien) gelang.

An verschiedenen Standorten erinnern seit 2017/2018 sog. "Stolpersteine" an Opfer der NS-Herrschaft; waren es bei der ersten Verlegung acht Steine, so kamen 2018 an vier Stellen weitere sechs hinzu. An Angehörige der beiden jüdischen Familien Ellendmann und Rosenthal erinnern jeweils vier "Stolpersteine"

  

 

 

In Hahnstätten/Aar - heute der Verbandsgemeinde Aar-Einrich zugehörig, etwa 15 Kilometer südlich von Limburg gelegen - bestand eine kleine jüdische Gemeinde, deren Wurzeln bis ins 17.Jahrhundert zurückreichen. Ihren höchsten Stand erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen zu Beginn des 18.Jahrhunderts mit zehn Familien (ca. 50 Pers.) und stellten damit in der Grafschaft Diez die zahlenmäßig größte jüdische Bevölkerung. Ihren kargen Lebensunterhalt bestritten sie fast ausschließlich vom Viehhandel. Nach vorübergehender (erzwungener) Abwanderung lebten um 1840/1850 wieder sechs jüdische Familien im Dorf; mit den wenigen Glaubensgenossen aus Kaltenholzhausen und Oberneisen suchte man eine schlichte Betstube im Obergeschoss eines Privathauses auf; diese bestand vermutlich bis 1936.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20239/Hahnstaetten%20Synagoge%20105.jpg Gebäude, in dem sich der Betraum befand (Aufn. privat)

Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein Lehrer angestellt; bereits 1714 wurde ein "Schulmeister" der jüdischen Gemeinde genannt.

Die kleine Gemeinde gehörte nach 1843 zum Bezirksrabbinat Diez, nach dessen Auflösung zu dem von (Bad) Ems.

Verstorbene wurden auf jüdischen Sammelfriedhof in der Gemarkung Burgschwalbach beerdigt; dieser diente verstorbenen Juden aus Hahnstätten, Hausen, Holzhausen ü. Aar, Kettenbach, Oberneisen und Rückershausen als Begräbnisstätte.

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch die beiden jüdischen Familien Oppenheimer und Strauß im Dorf. Der von Leo Strauß betriebene „Krämerladen“ wurde beim Novemberpogrom  geplündert u. zerstört; sein Besitzer wurde „in Schutzhaft“ genommen und starb an den Folgen der Misshandlungen. Seine kleine Familie wurde Jahre später ins Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich vier jüdische Dorfbewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hahnstaetten_synagoge.htm).

Auf dem ca. 2.600 m² großen Friedhofsgelände Burgschwalbach, das vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis Mitte der 1930er Jahre belegt wurde, sind mehr als 80 Grabsteine erhalten.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20343/Burgschwalbach%20Friedhof%20152.jpg

Friedhof in Burgschwalbach (Aufn. P. Kaminsky, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

2018 wurden in der Verbandsgemeinde Hahnstätten (in der Netzbacher Straße) vier sog. „Stolpersteine“ verlegt.

 

 

 

Um 1900 lebten in Oberbrechen – unweit von Limburg gelegen – etwa 30 jüdische Bewohner, drei Jahrzehnte später nur noch 18. Mit Beginn der NS-Herrschaft und der einsetzenden Entrechtung verließen weitere jüdische Bürger den Ort und gingen in die Emigration (USA). 1940 sind noch vier Juden in Oberbrechen gemeldet, die zunächst nach Frankfurt/M. „umgesiedelt“ und von dort deportiert und ermordet wurden.
Insgesamt fielen zwölf aus Oberbrechen stammende bzw. längere Zeit dort wohnende jüdische Personen dem NS-Terror zum Opfer.

An zwei Stellen in der Langen Straße erinnern seit 2015 sog. „Stolpersteine“ an Angehörige der Familie Stern.
                  Aufn. aus: gemeinde.brechen.de

 

 

 

Weitere Informationen:

Fredi Isaak, Jüdische Bethäuser in Limburg - Eine kulturhistorische Betrachtung, in: "Land und Zeit", No. 4 (Beilage), Febr. 1930

Jakob Höhler, Aus der Geschichte der Limburger Juden, in: "Nassauische Heimatblätter", 32.Jg./1931, No. 1/2

Jakob Höhler, Geschichte der Stadt Limburg an der Lahn, Limburg 1935

Germania Judaica, Band II/1, Tübingen 1968, S. 484 – 488 und Band III/1, Tübingen 1987, S. 746 - 748

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 491 - 494

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 134

Eugen Caspary, Jüdische Mitbürger in Oberbrechen 1711 - 1941. Eine Bestandsaufnahme, in: Gensicke/Eichhorn, Geschichte von Oberbrechen, hrg. im Auftrag der Gemeinde Brechen, 1975, S. 157 - 231

Oliver Hannapel/u.a., Judenverfolgung und Verfolgung anderer Gruppen in der Anfangsphase des Nationalsozialismus in Limburg und Umgebung, Arbeit im Rahmen des “Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte”, 1980/81

Anni Bardon, Synagogen in Hessen, in: Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen, "Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen VI", Wiesbaden 1983, S. 357/358

Eugen Caspary, Die Juden in den Kreisen Limburg und Oberlahn 1278 - 1945. Versuch einer Bestandsaufnahme, in: Limburg - Weilburg, Beiträge zur Geschichte des Kreises, Limburg/Lahn 1986, S. 126 - 173

Klaus-Peter Hartmann, Die Kreise Limburg und Oberlahn unter NS-Herrschaft (1933-45), in: Limburg - Weilburg, Beiträge zur Geschichte des Kreises, Limburg/Lahn 1986, S. 473 ff.

Franz Gölzenleuchter, Sie verbrennen dein Heiligtum - Synagogen und jüdische Friedhöfe im Kreis Limburg-Weilburg, 50 Jahre später, Limburg 1988

Heinz Stein, Die Geschichte der Juden in unserer nassauischen Heimat, Stadtarchiv Diez/Lahn (Maschinen-Manuskript)

Juden im Kreis Limburg-Weilburg - Schicksale und Ereignisse, in: "Schriftenreihe zur Geschichte und Kultur des Kreises Limburg-Weilburg", Band 3, Hrg. Kreisausschuß des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg 1991

Heinz Maibach, Dokumente zur Limburger Stadt- und Kreisgeschichte 1870 - 1945, Limburg 1992

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen II - Regierungsbezirke Gießen und Kassel, Hrg. Studienkreis Deutscher Widerstand, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1996, S. 135 f.

Ulrich Jungbluth, Jüdisches Leben in Hahnstätten, in: Heimatbuch XIII/1998, S. 74 - 81

Friedhofsamt der Stadt Limburg (Bearb.), Jüdischer Friedhof Limburg an der Lahn ‘Am Schafsberg’. Namenserfassung und Erstellung eines Lageplan (ergänzt durch Chr. Pullmann, 2003)

Erhard Weimer, Chronik der Gemeinde Elz, 2004  

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Mainz 2005, S. 178

Thea Altaras, Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945?, Königstein im Taunus 2007, S. 228 – 230

Verena Fuchß, Kulturdenkmäler in Hessen: Stadt Limburg, hrg. vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2007, S. 306/307

Limburg, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Dokumenten zur Ortshistorie)

Elz (Westerwald), in: alemannia-judaica.de

Hahnstätten, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnahmen des jüdischen Friedhofs in Burgschwalbach von Hans G. Kuhn, 2012)

Limburg im Fluss der Zeit. Schlaglichter aus 1100 Jahren Stadtgeschichte, in:  "Beiträge zur Geschichte der Kreisstadt Limburg a.d. Lahn", Bd.1, Limburg 2010, S. 589 – 649 und S. 679 – 694

Auflistung der in Limburg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Limburg_an_der_Lahn

Johannes Laubach, Eine Überraschung im Keller, in: „Neue Nassauische Presse“ vom 14.4.2015

Werner Wittayer (Red.), Gerd Löllbach – ein unbekannter Held, in: "Blickpunkt Elz" - Amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Elz, No. 30 (2015)

Gemeinde Brechen, Verlegung von Stolpersteinen für jüdische Bürger in Oberbrechen, 2015, online unter: gemeinde-brechen.de

Auflistung der in Brechen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Brechen

Eine Zierde des Straßenbildes“ - Über die Geschichte der Synagoge an der Schiede informiert ein neuer Flyer, in: „Nassauische Neue Presse“ vom 10.3.2016

Martina Hartmann-Menz, Biografien zu den Elzer Stolpersteinen, online abrufbar unter: elz.de

Martina Hartmann-Menz (Bearb.), Albert und Emmy Rosenthal aus Elz, PDF-Datei (von 2016)

Heike Lachnit (Red.), Gedenken an die Opfer mit Stolpersteinen. Martina Hartmann-Menz hat über die NS-Vergangenheit der Elzer geforscht, in: "Nassauische Neue Presse" vom 30.3. 2017

A. Meyer/M. Kornitzki/Chr. Waldecker (Red.), Die Mikwe im Kellergeschoss des Hauses Fischmarkt 7 in Limburg. Ergebnis der archäologischen Untersuchung 2015/2016, in: Denkmalpflege & Kulturgeschichte 3/2017, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden 2017, S. 21 - 26

Heike Lachnit (Red.), Stolpersteine. Gunter Demnig setzt ein Zeichen für die Vergessenen in Elz, in: „Nassauische Neue Presse“ vom 8.5.2018

Josua Schwarz (Red.), Erinnern mit Zukunftsdimension. GEDENKEN. In Limburg werden weitere zwölf neue Stolpersteine verlegt, in: „Weilburger Tageblatt“ vom 18.5.2018

N.N. (Red.), „Stolpersteine“- jeder Stein steht für das Schicksal eines NS-Opfers, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 15.5.2018

Rolf Kahl (Red.), Sechs Stolpersteine für NS-Opfer in Hahnstätten, in: "Frankfurter Neue Presse" vom 2.8.2018

N.N. (Red.), VG Hahnstätten. Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur: Jeder Stolperstein rückt ein Schicksal ins Bewusstsein, in: „Rhein-Zeitung" vom 7.10.2018

N.N. (Red.), Limburg. Nazis bestraften Mitmenschlichkeit: Stolpersteine erinnern an Opfer, in: „Rhein-Lahn-Zeitung“ vom 20.3.2019

Lisa Groh-Trautmann (Bearb.), Jüdische Gemeinde Hahnstätten, Hrg. Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., online abrufbar unter: regionalgeschichte.net (2019)

Kommune Elz (Hrg.), Gegen das Vergessen. Stolpersteine erinnern uns - Stolpersteine verschwunden. Polizei ermittelt – u.a., online arufbar unter: elz.de

Heike Lachnit (Red.), Stolpersteinverlegung in Elz – Erinnerungen wachhalten, in: „hl-Journal – Nachrichten aus dem Landkreis Limburg-Weilburg“ vom 29.3.2021

Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (Hrg.), Jüdische Friedhöfe im Kreis Limburg-Weilburg. Eine Aufsatzsammlung, in: „Jüdisches Leben im Nassauer Land“, Bd. 2 (2021)

N.N. (Red.), Limburg erinnert an Nazi-Opfer: Sieben neue Stolpersteine als Gedächtnisstütze, in: „Rhein-Lahn-Zeitung“ vom 7.9.2022

N.N. (Red.), Limburg. Erinnerung an jüdische Bürger wachhalten: Neue Stolpersteine in Limburg verlegt, in: „Rhein-Lahn-Zeitung“ vom 11.11.2022

Thorsten Stötzer (Red.), Synagogen zwischen Festtag und Verwüstung: Neues Buch macht jüdisches Leben im Rhein-Lahn-Kreis erfahrbar, in: „Rhein-Lahn-Zeitung“ vom 26.1.2023

Die Synagogen im Nassauer Land – Jüdische Kultstätten in den Kreisen Limburg-Weilburg, Rhein-Lahn und Westerwald. Eine Aufsatzsammlung, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Limburg e.V., 2023